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Landungsfahrt nach Genf, 14. September 1930

Ein eBook zu allen vier Schweizer Landungsfahrten ist über zeppelinpost.ch erhältlich.

Von P. Colombani, zepplinpost.ch, Zürich, 19.5.2011

Der Vorlauf

Die Landungsfahrt des Luftschiffes Graf Zeppelin wurde schon früh in die Wege geleitet. Nach einem Bericht der Genfer Tageszeitung „Journal de Genève“ vom Januar 1930 lud die Genfer Gesellschaft für deutsche Literatur und Kunst den Zeppelin Kommandanten Dr. Hugo Eckener ein, am 28. Januar 1930 einen Lichtbilder Vortrag über die kürzlich erfolgte Weltrundfahrt des Graf Zeppelin zu präsentieren1. Dr. Eckener nahm die Einladung an und blieb nach dem Vortrag zumindest bis am 30. Januar in Genf, als ein Mittagessen zu seiner Anerkennung und mit illustren Persönlichkeiten aus Politik und Wissenschaft im Erstklasshotel des Bergues, direkt am Ufer des Genfersee, organisiert wurde2. Während des Desserts hielten der Präsident der einladenden Gesellschaft für deutsche Literatur und Kunst, Prof. Bohnenblust, sowie der Genfer Kantonsrat Malche eine höchst lobende Rede und zitierten dabei die Schriftsteller Gottfried Keller und Victor Hugo. Malche unterliess es dabei nicht, den heroischen Willen und die Energie von Dr. Eckener zu betonen. Schliesslich beendete der Untergeneralsekretär des Völkerbunds Dufour-Feronce die Reden mit dem Wunsch eines Wiedersehens, entweder über Boden oder über die Luft. Dr. Eckener erwiderte darauf, er habe schon einen Landeplatz gefunden. Einer Landungsfahrt nach Genf stand somit wohl nichts mehr im Wege.

Am 11. März 1930 wurde dann die Mitteilung publik, dass die AVIA – die Schweizer Gesellschaft der Offiziere der Luftwaffe – während ihrer Generalversammlung in Bern mitgeteilt habe, es würden im laufenden Jahr Zeppelinlandungen in Basel, Genf, Lausanne und Zürich organisiert3. Interessanterweise schien die Hauptstadt Bern wieder den Kürzeren gezogen zu haben, nachdem ein paar Monate zuvor die erste Landungsfahrt eines Zeppelins auf Schweizer Boden am 2. November 1929 in Dübendorf im Kanton Zürich und nicht in Bern stattfand.

Auch wenn die Landungsfahrt nach Genf bereits beim Besuch Eckeners im Januar 1930 informell durch Eckener selbst bestätigt wurde, dauerte es bis in den August hinein, bevor eine formelle Vereinbarung getroffen wurde. Am 29. August 1930 wurde im Journal de Genève darüber berichtet und gleichzeitig Datum, vorgesehene Zeit und Ort der Landung bekannt gegeben: Sonntag, der 14. September, nachmittags, Flugplatz Cointrin4. Irgendwie wurde aber diese Meldung in der Zeitung fehlplatziert: Sie erschien unter der Rubrik „Sport“. Wie bei der Landung auf dem Flugplatz in Dübendorf würde kein Landungsmast zur Verfügung stehen und eine 200 Mann starke Landemannschaft die Aufgabe übernehmen, das Luftschiff während des etwa einstündigen Halts unter Kontrolle zu halten. Das Publikum würde gegen ein bescheidenes Entgelt direkt auf dem Flugplatz zugelassen und Parkmöglichkeiten für „Automobile, Seitenwagen, Motorräder und Fahrräder“ in unmittelbarer Umgebung des Flugplatzes geschaffen5. Scheinbar wurden aus der ersten Landungsfahrt in Dübendorf ein paar Monate zuvor Lehren gezogen, als nur die in unmittelbarer Nähe der Redner anwesenden Personen die Ansprache zu Ehren des Graf Zeppelin Kapitäns Lehmann hören konnten6. Auf dem Genfer Flugplatz sollten Lautsprecher zum Einsatz kommen, um sowohl den Verlauf der Fahrt des Luftschiffes von Friedrichshafen nach Genf zu kommentieren als auch die Reden zu Ehren Dr. Eckeners für das anwesende Publikum hörbar zu machen.

So wie während der Dübendorfer Landung bei Zürich die Neue Zürcher Zeitung einen gewissen Stolz nicht verbergen konnte, dass die erste Schweizer Zeppelin Landung in Zürich und nicht in einer anderen Schweizer Stadt stattfand6, so unterstrich das Journal de Genève, dass „Hauptstädte“ (ob hier wohl auch die Schweizer Hauptstadt Bern gemeint war…) und „bedeutende internationale Städte“ wegen der Landung einen gewissen Neid gegenüber Genf hegten5. Die Wahl des 14. Septembers für die Landung wurde scheinbar von Dr. Eckener selbst getroffen, da zu diesem Zeitpunkt eine Versammlung des in Genf beheimateten Völkerbunds stattfand und so der Landung ein besonderer internationaler Touch verliehen wurde7.

Zeppelinpost der Genfer Landungsfahrt

Sonderstempel zur Landungsfahrt nach Genf, 14. September 1930

Eine Zeppelinfahrt ohne Zeppelinpost wäre schon 1930 praktisch unvorstellbar gewesen. Entsprechend gab es auch zur Genfer Landungsfahrt besondere Bestimmungen für die Beförderung von Postsendungen, welche sich aber nicht von denjenigen der Landungsfahrt nach Dübendorf unterschieden. Für die Auflieferung von Post auf dem Genfer Flugplatz wurden nur uneingeschriebene Postkarten zugelassen, welche in einem Umschlag mit dem Vermerk „Zeppelinflug“ an die Poststelle „Genf I Briefversand“ geschickt werden mussten, und zwar bis spätestens am Vorabend der Landung8.

Die Postkarten mussten entweder mit Luftpost- oder gewöhnlichen Marken frankiert werden, und die Taxe betrug 75 Rappen für Karten in die Schweiz und 1 Franken für Empfänger im Ausland. Der rote Sonderstempel für die Fahrt würde den Text „Genève-Aviation, Vol du Zeppelin“ tragen. Somit wies er wie der Sonderstempel für die Dübendorfer Landungsfahrt (mit dem Text „Schweizerflug“) die Unstimmigkeit auf, dass die Fahrt des Graf Zeppelin als Flug und nicht als Fahrt deklariert wurde. Die auf dem Flugplatz aufgelieferte Post würde vor dem Verlassen des Schweizer Bodens abgeworfen werden und vom Postamt des am nächsten liegenden Flugplatzes mit einem Ankunftsstempel versehen (entweder Dübendorf oder St. Gallen Breitfeld) und auf üblichem Postwege weitergeleitet.

Die Fahrt

Bericht zur Landungsfahrt nach Genf (in französischer Sprache)

Am Tag vor der Landung in Genf konnte das Organisationskomitee mitteilen, dass auch ein Vertrag mit der Zeppelingesellschaft für eine Landung in Bern und Basel unterzeichnet wurde9. Damit wurden die Pläne der Schweizer Gesellschaft der Offiziere der Luftwaffe geändert, die für 1930 neben der Landung in Genf noch Landungen in Lausanne und Zürich, dafür keine in Bern vorgesehen hatten.

Graf Zeppelin stieg am Sonntagmorgen des 14. Septembers um 8:55 Uhr in Friedrichshafen unter der Führung von Dr. Eckener auf10. Unter den 28 Passagieren an Bord des Luftschiffes befand sich auch der Sohn von Julius Curtius, dem Reichsaussenminister des Deutschen Reichs. Das Wetter war trübe und der Himmel grau, Regen gab es aber nur wenig. Um 9:45 Uhr fuhr Graf Zeppelin über Schaffhausen in Richtung Baden, kam um 10:30 Uhr über Brugg an und fuhr danach weiter Richtung Aarau. Von dort ging es weiter über Olten (10:55 Uhr) nach Solothurn (11:25 Uhr), wo eine leichte Kurskorrektur Richtung Bern vorgenommen wurde. Um 11:40 Uhr erreichte das Luftschiff Bern in einer niedrigeren Höhe als bei vorangehenden Überfahrten, drehte eine grosse Schlaufe und fuhr über dem Parlamentsgebäude, bevor es um 11:50 Uhr Bern in Richtung Fribourg verliess. Die Ankunft über den Murtensee gibt das Journal de Genève mit der gleichen Zeit an wie die des Verlassens von Bern (11:50 Uhr), was aber offensichtlich nicht stimmen kann. Der Murtensee ist knappe 30 km von Bern entfernt und wäre selbst mit einer hohen Reisegeschwindigkeit von 120 km/h nur in rund 15 Minuten zu erreichen. Entweder ist die Zeit über dem Murtensee oder diejenige des Verlassens von Bern nicht korrekt. Weiter ging es wohl entlang des Neuenburger Sees bis nach Yverdon, wo Graf Zeppelin um 12:37 Uhr weiter Richtung Genf fuhr.

Graf Zeppelin erschien erstmalig um 13:40 Uhr über Genf auf einer Höhe von rund 500 Meter, wo er dann im Sinkflug über die Stadt und dem Palast des Völkerbunds fuhr. Dr. Eckener teilte dann um 14 Uhr über Lautsprecher mit, dass er nach Lausanne weiterfahren würde, aber zur vorhergesehenen Zeit um 15 Uhr wieder zurück sei, was er aber nicht ganz einhielt. Gemäss weiteren Mitteilungen direkt aus dem Luftschiff wurde danach die Überfahrt von Vevey und die Spitze von Messery – am französischen Ufer des Genfer Sees – gemeldet.

Die Landung

Auf dem Flugplatz Cointrin in Genf war bereits am Morgen alles für die Ankunft bereit und die mindestens 20‘000 Anwesenden11 – gemäss der Neuen Zürcher Zeitung waren es hingegen „nur“ 10-12‘000 Personen12 – wurden über die neun „perfekt funktionierenden Lautsprecher“ über die Fahrt informiert, da eine direkte Funkverbindung zum Luftschiff bestand. Die Zuschauer wurden zudem bereits früh darüber gebeten, bei der Landung absolute Ruhe zu bewahren, so dass die Befehle des Landungsmanövers von Dr. Eckener über die Lautsprecher übertragen werden konnten. Bis um 11 Uhr waren zudem 11‘000 Postkarten an das Postamt gesandt worden.

Landung des Graf Zeppelin auf dem Genfer Flugplatz Cointrin, 14. September 1930 (Basler Nachrichten, 15.9.1930)

Wieder zurück nach Genf traf Graf Zeppelin um 15:20 Uhr über dem Flugplatz ein12 und drehte dort eine grosse Runde bevor er direkt über den am Boden aufgezeichneten weissen Pfeil anhielt11. Die Motoren wurden abgestellt und man hörte auf dem Flugplatz nur noch Dr. Eckeners Befehle für das Landungsmanöver. Nach rund drei Minuten 40 Sekunden war die Landung beendet und das Luftschiff befand sich um 15:35 Uhr auf Genfer Boden11,13. Erst nachdem Zollbeamte in die Gondel zur Überprüfung der Pässe der aussteigenden Passagiere eingestiegen und ihre Arbeit erledigt hatten, stieg Dr. Eckener vor den Linsen der Photographen und Filmemacher als erster aus dem Luftschiff aus.

Dr. Eckener wurde zu den anwesenden Rednern geleitet, die ihre freudige Pflicht taten und den Kommandanten des Luftschiffes euphorisch begrüssten. Unter den Redner befand sich auch der deutsche Reichsaussenminister Curtius, der von der Ankunft seines Sohnes mit dem Luftschiff überrascht wurde. Dr. Eckener bedankte sich über den Empfang, würdigte den Völkerbund und brachte seine Freude zum Ausdruck, in „Genf, dem Zentrum grosser pazifistischer Werke“ zu sein. Und wie beim Empfang in Dübendorf ein paar Monate zuvor wurde schliesslich auch in Genf Champagner aufgetischt.

Nach einer Besichtigung der Passagiergondel wurde das Luftschiff wieder für den Start klargemacht, der ebenso reibungslos verlief wie die Landung. Nach der Abgabe von Wasserballast stieg das Luftschiff rund 10 Meter auf, wo es seine fünf Motoren anwarf und sich auf die Heimreise nach Friedrichshafen begab. Gemäss Journal de Genève fand der Start zur Rückreise um 16 Uhr statt, während es für die Gazette de Lausanne dann 16:35 Uhr war. Da die Neue Zürcher Zeitung berichtete, dass um 16:15 Uhr die Vorbereitungen für den Start begonnen wurden12, dürfte die Startzeit von 16:35 Uhr eher den Tatsachen entsprechen. Jedenfalls scheinen die Uhren nicht überall gleich gelaufen zu sein.

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  1. Journal de Genève, 20. Januar 1930
  2. Journal de Genève, 31. Januar 1930
  3. Journal de Genève, 11. März 1930
  4. Journal de Genève, 29. August 1930
  5. Journal de Genève, 9. September 1930
  6. Neue Zürcher Zeitung, 4. November 1929
  7. Journal de Genève, 16. September 1930
  8. Journal de Genève, 10. September 1930
  9. Journal de Genève, 13. September 1930
  10. Journal de Genève, 15. September 1930
  11. Journal de Genève, 16. September 1930
  12. Neue Zürcher Zeitung, 15. September 1930
  13. Gazette de Lausanne, 15. September 1930