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Ein eBook zu allen vier Schweizer Landungsfahrten ist über zeppelinpost.ch erhältlich.
Von P. Colombani, zeppelinpost.ch, Zürich, Schweiz
Nach unzähligen Fahrten über Schweizer Gebiet war es im Herbst 1929 endlich soweit. Graf Zeppelin sollte auf Schweizer Boden landen. Die Vorbereitungen dazu nahmen gemäss Basler Nachrichten Wochen in Anspruch1. Dies scheint aber etwas übertrieben, denn die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) berichtete erst am Freitag, dem 11. Oktober 1929 von einer Meldung der Schweizerischen Depeschenagentur vom 8. Oktober, die „aus bester Quelle erfährt, [dass] gegenwärtig Verhandlungen gepflogen [werden], um das Luftschiff «Graf Zeppelin» auf dem Flugplatz Dübendorf zu einer Landung zu veranlassen.2“ Da der Besuch des Luftschiffes auf Mitte Oktober während eines Wochenendtags geplant wurde, blieben somit für die direkten Vorbereitungen vor Ort nicht mehr als ein bis zwei Wochen.
Es war aber nicht die erste Landung eines deutschen Luftschiffes auf Schweizer Boden. Parseval Luftschiff 1 wurde Ende September 1909 mit dem Zug zum Gordon-Bennet-Ballon-Rennen nach Schlieren bei Zürich transportiert, wo es zu vier Fahrten aufstieg. Dieses Rennen war interessanterweise auch der Auslöser für den Bau des Flugplatzes in Dübendorf, der dann 1910 eröffnet und 1914 zum Militärflugplatz wurde3.
Die Tage vor der Landungsfahrt nach Dübendorf waren wohl unruhig in Friedrichshafen, denn während der bereits begonnenen Planung für den „Nordpolflug“ gab es Unstimmigkeiten. Am 13. Oktober berichtete die NZZ, dass nachdem Dr. Eckener seine Teilnahme am Nordpolflug endgültig abgesagt hatte, nun auch die gesamte Mannschaft – mit Ausnahme von Kapitän Lehmann – „sich solidarisch erklärt hat, aus finanziellen und technischen Gründen die Nordpolfahrt nicht mitzumachen.4“ Lehmann äusserste sich kurze Zeit später gar dahingehend, dass die Polarfahrt im Frühjahr 1930 nicht mehr durchführbar sei: Die Besatzung hätte die Befürchtung, „dass bei unglücklichen Zwischenfällen auf der Polarfahrt das Luftschiff verloren gehen könnte und die Besatzung dadurch ihre Tätigkeit und ihren Beruf verlieren würde.5" Aber noch vor der Landungsfahrt nach Dübendorf konnten sich Besatzung und Führung des Graf Zeppelin einigen, so dass die Polarfahrt gesichert schien6. Diese fand dann aber erst im Juli 1931 und nicht wie ursprünglich vorgesehen im Frühjahr 1930 statt.
Landung des Graf Zeppelin auf dem Flugplatz Dübendorf (2. Nov. 1929). |
Die auf Mitte Oktober geplante Landung in Dübendorf wurde schliesslich, nach vertraglicher Vereinbarung zwischen der Gesellschaft schweizerischer Militärflieger, dem Ostschweizerischen Verein für Luftschiffahrt und den Luftschiffwerken Zeppelin in Friedrichshafen, auf Sonntag, dem 27. Oktober festgelegt7. Nach der zuvor stattfindenden, mehrstündigen Schweizerfahrt mit geplanten 30 Passagieren war die Landung, mit halbstündigem Halt, auf dem Militärflugplatz zwischen 14 und 15 Uhr nachmittags vorgesehen. Beim Halt sollte auch Luftpost aufgeliefert werden. Vorsorglich wurde zudem die Möglichkeit einer Verschiebung der Landung in Betracht genommen und dies vertraglich festgehalten. In der Mitte des Flugplatzes sollte ein für das Manövrieren des Graf Zeppelin genügend grosser Raum abgesperrt werden, in dem nur die 200 Mann grosse Haltemannschaft samt der Offiziere der Zeppelinwerft sich aufhalten durften. Ausserhalb der Absperrung konnten sich die Zuschauer frei auf dem gesamten Flugplatz bewegen.
Für die Landungsfahrt konnten nur uneingeschriebene Postkarten aufgeliefert werden. Diese mussten bis Samstag, dem 26. Oktober „in frankierten Umschlag an die Poststelle Zürich-Flughafen“ gesendet werden, wo sie den roten Sonderstempel „Zeppelinpost – Schweizerflug“ erhielten8. Irgendwie schien die Unterscheidung zwischen den beiden Begriffen Fahrt und Flug nicht so streng genommen worden zu sein. Andernfalls liesse sich die Verwendung von „Schweizerflug“ im Sonderstempel trotz der gleichzeitigen Verwendung der Bezeichnung „Landungsfahrt“ nicht erklären. Die Posttaxen betrugen „75 Rp. [Rappen] für Karten nach der Schweiz, 1 Fr. [Franken] nach dem Ausland.8“
Die Landungsfahrt musste dann aber in der Tat verschoben werden9. Die Witterungsverhältnisse wären für eine Fahrt an sich nicht problematisch gewesen. Aber es herrschte ein Wind in der Stärke 7 (gute 50 km/h) quer zur Luftschiffhalle, was ein aushallen zu einem riskanten Mannöver hätte werden lassen. Zu bedenken ist, dass zu dieser Zeit die Halle schon fast zu klein war für den 236 m grossen Graf Zeppelin und dass „die Steuerorgane … nach der Hallendecke zu einen Spielraum von kaum einen halben Meter“ hatten. Ein zweiter Versuch sollte innerhalb von zwei Wochen erfolgen.
Am 30. Oktober erschien dann in der NZZ die Mitteilung der Kreispostdirektion, dass die Landungsfahrt auf Samstag, dem 2. November geplant worden sei, mit dem 6. und 9. November als weitere Verschiebedaten10. Die Postkarten zur Beförderung als Zeppelinpost konnten noch bis zum 1. November aufgegeben werden, und zwar gesendet in einem frankierten Umschlag mit der Aufschrift „Zeppelinpost“ an das Flugpostamt Zürich=Dübendorf. Die weiteren Verschiebedaten mussten schliesslich nicht in Anspruch genommen werden, denn die Fahrt fand definitiv am Samstag, dem 2. November 1929 statt.
Halt des Graf Zeppelin auf dem Flugplatz Dübendorf (2. Nov. 1929). |
Am Montag, dem 4. November berichteten sowohl Basler Nachrichten wie auch die NZZ ausführlich über die Landung in Dübendorf11,12. Die Berichterstattung war nicht ganz deckungsgleich, was aber durchaus verständlich ist. Dübendorf befindet sich innerhalb des Kantons Zürich und somit hatte die NZZ als Zürcher Zeitung quasi Heimvorteil. Entsprechend war ihr Bericht wesentlich länger.
Die NZZ berichtete von 35‘000 Personen auf dem Flugplatz, die den „modernen Weltumsegler“ empfingen und ihm „ihre Reverenz erwiesen“. Gemäss Basler Nachrichten sollen gar 60‘000 anwesend gewesen sein. Aber vermutlich lag die Zahl der NZZ näher an der Wahrheit, denn „auf dem Flugfelde selbst wurden rund 32’000 Eintrittskarten ausgegeben.11“ Die NZZ konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen, dass es für die Zürcher Bevölkerung eine „besondere Genugtuung“ war, Gastgeber der „ersten planmässigen Europalandung auf Schweizer Boden“ zu sein. Dadurch seien die engen Beziehungen des Zeppelinunternehmens zur Schweiz unterstrichen, die es „schon zur Zeit des alten Grafen mit unserem Lande unterhielt.“ Es war zudem die erste Landung des Graf Zeppelin auf einem nicht für Luftschiffe eingerichteten Platz, ohne Ankermast und ohne Halle.
Die Witterung war am 2. November alles andere als ideal und die Landung in Dübendorf am Nachmittag war scheinbar selbst nach dem planmässigen Start um 10 Uhr in Friedrichshafen nicht sicher. Graf Zeppelin fuhr zunächst Rheinaufwärts in südlicher Richtung bis an die Grenze zum Kanton Graubünden, dem östlichsten Schweizer Kanton, direkt unterhalb Lichtenstein, und kehrte dann zum Bodensee zurück, wo er um die „Mittagsstunde unschlüssig“ herumkreuzte11. Irgendwann nach dem Mittag wurde wohl die Entscheidung getroffen, doch die Landungsfahrt zu unternehmen, und Graf Zeppelin fuhr Richtung Westen, wo er um 13 Uhr auf Zürcher Kantonsgebiet über Bülach gesichtet wurde. Nach einer Kehre über Zürich erschien das Luftschiff um 13:12 Uhr das erste Mal über Dübendorf, wo es ein Paket mit Seilen für die Landung abwarf. Danach kreiste Graf Zeppelin gemäss NZZ „dreimal über Zürich verfolgte die Seelinie bis Rapperswil und gab seine Visitenkarte auch in einem weiteren Umkreis ab…“. Erst mit diesem ersten Auftreten über Zürich und Dübendorf wurde es jedem klar, dass die Landung um 15 Uhr nachmittags doch stattfinden würde und die Völkerwanderung nach dem von Zürich rund 10 km entfernten Dübendorf kam ins Rollen (diverse Extrazügen standen für den Transfer bereit).
Die Basler Nachrichten beschreiben die Fahrtroute des Graf Zeppelin nach der ersten Durchfahrt über Zürich folgendermassen: Graf Zeppelin drehte nach Süden Richtung Innerschweiz ab und fuhr dann eine Schleife in westlicher Richtung bis in den Aargau hinein, um sich danach gegen 14:20 Uhr Richtung Dübendorf zu begeben, wo er um 14:30 Uhr wieder ankam. Hier wird die Berichterstattung der NZZ wieder detaillierter: Graf Zeppelin fuhr eine weitere Schleife (da die Landung erst um 15 Uhr vorgesehen war), diesmal über den Greifensee nach Uster, „wo ein begeisterter Mitfahrer über dem Schlosse seinen Hut zum Grusse abwirft.“ Wieder zurück nach Dübendorf stieg Graf Zeppelin – gemäss Basler Nachrichten – einige hundert Meter in die Höhe und „senkte sich in Schleifen aus etwa 600 Meter Höhe immer tiefer und präsentierte sich kaum 150 Meter über dem Menschenmeer in majestätisch behäbigem Fluge.“
Am Boden war Kapitän-Leutnant von Schiller zusammen mit drei weiteren Männern aus Friedrichshafen für die Koordination der Landung „des silbernen Monstrum“ verantwortlich, die schliesslich planmässig um 15:00 Uhr erfolgte: „Die Fassmannschaften griffen wie alte geübte Luftschiffleute nach den Handgriffen der Seilfächer und nach dem festen Geländer, das den untern Schiffsleib entlang läuft, und fast mühelos glitt «Graf Zeppelin» zur Landungsstelle, wobei die Wasserausgabe ein fröhliches Intermezzo herbeirief, weil die Landungsmannschaft auf einen solchen Erguss nicht vorbereitet war.“
Ansprache von Regierungspräsident Wettstein. |
Zeppelinlandung in Dübendorf: Kapitän Lehmann beim Champagnerbuffet während der Ansprache. |
An Bord waren 33 Passagiere und die Fahrt stand unter der Führung von Kapitän Lehmann, der als „kleine, gedrungene Gestalt mit der bekannten deutschen Sportsmütze, einem dunkelbraunen schweren Ulster und in bequemen Eskimostiefeln“ beschrieben wurde12. Nachdem die anwesenden Schweizer Zollbeamte ihre Pflicht erledigt hatten, entstiegen die Passagiere der Gondel11. Sie waren sichtlich erfreut, was in Anbetracht der historischen ersten Landung auf Schweizer Boden durchaus nachvollziehbar ist. Natürlich wurde auch Zeppelinpost aus- und aufgeladen. Die aufgeladene Post hatte ein Gewicht von 120 kg und die Postsäcke waren mit knapp 30’000 Postkarten gefüllt, gemäss NZZ „wohl zumeist von flugbegeisterten Philatelisten.“ Schliesslich stiegen neue Passagiere für die kurze Heimfahrt nach Friedrichshafen zu, darunter auch ein Berichterstatter der NZZ.
Das Empfangskomitee für die erste Zeppelinlandung auf Schweizer Boden konnte sich sehen lassen: Dübendorfer Gemeindepräsident Karl Läuchli, Zürcher Regierungspräsident Dr. Oscar Wettstein und Oberleutnant Walo Gerber. Damit waren aber „nur“ lokale Regierungsvertreter anwesend. Von der in der Schweizer Hauptstadt Bern beheimateten Landesregierung war scheinbar niemand nach Dübendorf gekommen – oder sie blieben von den Berichterstattern nicht bemerkt. Ob dies damit zu tun hatte, dass vielleicht die erste Zeppelinlandung lieber in der Hauptstadt Bern gesehen worden wäre, ist natürlich nur Spekulation. Interessant war jedenfalls der aufgetischte Willkommenstrunk: Champagner. Kapitän Lehmann hatte ein Lächeln auf dem Gesicht, als er vor dem Champagnerbuffet stand. Es ist aber leider nicht überliefert, ob er oder jemand aus seiner Bordmannschaft den perlenden Schaumwein genossen haben.
Regierungspräsident Wettstein strich in seiner kurzen Rede die Bedeutung der Zeppeline für die friedliche Völkerverbrüderung hervor und hielt fest, dass das Werk der Männer von Friedrichshafen „kein Kriegsinstrument“ sei12. Kapitän Lehmann dankte seinerseits für den Empfang „mit einigen leisen Worten12“ und versicherte, der Graf Zeppelin würde seinen Besuch im kommenden Jahr wiederholen11.
Kapitän-Leutnant von Schiller und Kapitän Lehmann trafen die Vorbereitungen für den Start und nach „gegenseitigem Tücherschwenken und … Abschiednehmen, … ertönte nach Einziehen der Halteseile der Befehl «das Schiff hochwerfen», die Mannschaften am Haltegeländer stemmten nach oben, und rasch hob sich der Silberkörper gegen den grau verhangenen Himmel.12“ An Bord verkaufte ein redegewandter Steward Postkarten und stempelte diese ab, „bis er den Krampf in den Fingern hatte. Auch Pässe, Armbinden, Notizbücher, Hutfutter und Manchetten wurden rot und gründlich bestempelt.11“ Über Brüttisellen fuhr Graf Zeppelin wieder in einer Schlaufe zurück nach Dübendorf, dann in nur rund 200 m Höhe weiter nordöstlich nach Winterthur (15:48 Uhr), „im Schneckentempo über Frauenfeld, wo ein Postsack abgeworfen wird“, weiter nach Kesswil am Schweizer Ufer des Bodensees (16:24 Uhr) und um 16:50 Uhr kam er schliesslich in Friedrichshafen an11. Damit fand die erste Schweizer Landungsfahrt des Graf Zeppelin ihr glückliches Ende. Drei weitere Landungen auf zwei Fahrten sollten 1930 folgen.